Kinderwünsche erfüllen, Eizellspenden legalisieren
Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit. Öffentliche Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Embryonenschutzgesetzes: Kinderwünsche erfüllen, Eizellspenden legalisieren, BT-Drucksache 19/17633. Die Anhörung wird als WebEx-Online-Meeting durchgeführt: am Mittwoch, 27. Januar 2021 von 15:30 bis 16:30 Uhr.
Hintergrund:
In Deutschland sind Eizellenspenden gemäß dem Embryonenschutzgesetz (ESchG) ausdrücklich verboten. Das führt in der Realität dazu, dass Paare Eizellspenden in Ländern, in denen die Gesetzgebung diese gestattet, in Anspruch nehmen – teilweise zu horrenden Preisen und unter Inkaufnahme gesundheitlicher Risiken aufgrund niedrigerer medizinischer Standards. Es ergibt sich dadurch das Folgeproblem, dass für im Ausland mittels Eizellspende gezeugte Kinder das in Deutschland bestehende Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung mitunter nicht durchgesetzt werden kann.
Lösung:
Die Legalisierung der Eizellspende in Deutschland durch eine entsprechende Änderung des ESchG.
Stellungnahme des Deutschen IVF-Registers, federführend und Sachverständiger: Prof. Dr. med. Jan-Steffen Krüssel:
“Vielen Dank für die Gelegenheit, als reproduktionsmedizinischer Sachverständiger zu dem Antrag der FDP-Fraktion „Entwurf eines Gesetzes der FDP-Fraktion zur Änderung des Embryonenschutzgesetzes – Kinderwünsche erfüllen, Eizellspenden legalisieren (BT-Drucksache 19/17633 vom 05.03.2020)“ Stellung nehmen zu dürfen.
Wie Sie meiner beigefügten Kurzbiographie entnehmen können, bin ich sowohl als Leiter des größten universitären Kinderwunschzentrums Deutschlands UniKiD, als auch in meinen Funktionen als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer, als Vorstand des Deutschen IVF-Registers (D·I·R) und als ehemaliger Präsident und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin in klinischer, wissenschaftlicher und berufs-politischer Hinsicht tief in die Materie eingearbeitet.
Ich bin vom Vorstand des Deutschen IVF-Registers (D·I·R) mandatiert worden, diesen im Rahmen der Anhörung zu vertreten.
Das Embryonenschutzgesetz (ESchG) von 1990 basiert unter anderem auf den medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen des späten 20. Jahrhunderts. Unter den damalig geltenden Bedingungen erschien es dem Gesetzgeber richtig und sinnvoll, die Herbeiführung einer Schwangerschaft durch eine Eizellspende in Deutschland zu verbieten. Begründet wurde dies vor allen Dingen damit, dass „damit in Zukunft einer Übertragung fremder Eizellen Vorschub“ geleistet „und zugleich das Entstehen „gespaltener Mutterschaften“ begünstigt werden könnte (BT-Drs 11/5460 vom 25.10.1989). Im Hinblick auf diese „gespaltenen“ Mutterschaften lägen zum damaligen Zeitpunkt „keine Erkenntnisse darüber vor, wie junge Menschen – etwa in der Pubertätszeit – seelisch den Umstand zu verarbeiten vermögen, dass genetische wie austragende Mutter gleichsam seine Existenz mit bedingt haben.“ (BT-Drs 11/5460 vom 25.10.1989). Es sei nur angemerkt, dass aus reproduktionsmedizinischer Sicht schon damals nicht verständlich war, dass die „gespaltene“ Vaterschaft auf der anderen Seite offensichtlich aus Sicht des Gesetzgebers nicht zu eventuellen vergleichbaren Problemen im späteren Leben der aus einer Samenspende, welche explizit vom ESchG nicht verboten wurde, entstandenen Kinder führen würde.
Der Gesetzgeber war sich bewusst, dass die Regelungen des ESchG im weiteren Verlauf, zum Beispiel durch Änderung des Standes der Erkenntnisse der Wissenschaft, einer Anpassung bedürfen. Dies ergibt sich ebenfalls aus der Gesetzesbegründung: „Mit zunehmender Bedeutung der In-vitro-Fertilisation […] am Menschen sieht sich der Gesetzgeber vor neue Aufgaben gestellt. […] Seine Arbeit wird nicht zuletzt dadurch erschwert, daß sich die Chancen und Risiken dieser Methode heute noch nicht in ihrer vollen Tragweite abschätzen lassen.“ (BT-Drs 11/5460 vom 25.10.1989).
In den mehr als 30 Jahren seit Inkrafttreten des Embryonenschutzgesetzes hat sich die Reproduktionsmedizin – mehr als viele andere Bereiche der Medizin – deutlich weiterentwickelt. Dies hat auch dazu geführt, dass von vielen Seiten, nicht nur von den reproduktionsmedizinisch Tätigen, auf die dringende Reformbedürftigkeit des ESchG hingewiesen wurde. Die deutschen Ärztetage 2013 und 2017 haben beispielsweise den Gesetzgeber aufgefordert, konsistente rechtliche Regelungen für die Reproduktionsmedizin zu schaffen. In den letzten 2 Jahren haben sowohl der Deutsche Ethikrat, als auch die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaft in ihrer Stellungnahme „Fortpflanzungsmedizin in Deutschland – für eine zeitgemäße Gesetzgebung“, als auch die Bundesärztekammer in ihrem im September 2020 veröffentlichten „Memorandum für eine Reform des Embryonenschutzgesetzes“ (https://www.baek.de/memorandum-eschg.2020) unabhängig voneinander aber unisono auf den dringenden Reformbedarf hingewiesen.
Das Verbot der Eizellspende wurde in allen genannten Stellungnahmen kritisiert und die dem damaligen Verbot zugrundeliegenden medizinisch-wissenschaftlich Prämissen wurden inzwischen widerlegt oder sind nach dem derzeitigen Stand der Forschung und der Weiterentwicklung, bzw. der Einführung neuer Therapieoptionen gegenstandslos.
Der vorgelegte Gesetzesentwurf „Entwurf eines Gesetzes der FDP-Fraktion zur Änderung des Embryonenschutzgesetzes – Kinderwünsche erfüllen, Eizellspenden legalisieren (BT-Drucksache 19/17633 vom 05.03.2020)“ ist insofern aus reproduktionsmedizinischer Sicht absolut zu begrüßen und zu unterstützen!
Durch diesen pragmatischen und reproduktionsmedizinisch einfach umzusetzenden Ansatz wäre es möglich, die schätzungsweise 3.000-5.000 Kinderwunschpaare, welche derzeit wegen der Notwendigkeit einer Einzelspende gezwungen sind, sich im Ausland behandeln zu lassen, unter den in Deutschland etablierten hohen medizinischen Qualitätsstandards vor Ort zu therapieren. Die aus dieser Behandlung entstehenden Kinder hätten dann die Möglichkeit, dass in Deutschland verbriefte Recht auf Kenntnis der genetischen Herkunft auch umsetzen zu können.
Wesentlich wären der Ausschluss einer Kommerzialisierung, diese ist aber bereits durch das Verbot des Handelns mit menschlichen Geweben und Zellen zum Beispiel durch die §§ 17 und 18 des Transplantationsgesetzes in Verbindung mit § 4 Abs. 30 das Arzneimittelgesetzes gegeben. Weiterhin sollten an die Aufklärung und Beratung sehr hohe Anforderungen gestellt werden, um insbesondere zu verhindern, dass sich die Spenderin ungewollt oder unbewusst Risiken aussetzt. Die Details zur Aufklärung, Beratung, Einwilligung, Eignung der Spenderin und notwendigen Untersuchungen, Eizellentnahme, Kryokonservierung, Übertragung, Inverkehrbringen, Anforderungen an Einrichtungen der medizinischen Versorgung, Qualitätsmanagement, Qualitätssicherung, Datenschutz und Dokumentation könnten durch eine Erweiterung und Überarbeitung der bestehenden „Richtlinie zur Entnahme und Übertragung von menschlichen Keimzellen im Rahmen der assistierten Reproduktion gemäß § 16bb Absatz 1 Satz 3 des Transplantationsgesetzes“ (BAnz AT 20.07.2018 B3) durch die Bundesärztekammer und die zuständige Bundesoberbehörde (Paul-Ehrlich-Institut) festgelegt werden.
Es sei abschließend bemerkt, dass der Gesetzgeber die weiteren im Memorandum der Bundesärztekammer dargestellten Problempunkte „Dreier-Regel bzw. eSET“ und „Embryospende“ im Rahmen einer weiteren Reform des ESchG überarbeiten sollte. Die parlamentarische Diskussion hierüber sollte festlegen, inwieweit der beschriebene Stand der medizinischen Wissenschaft hier abgebildet werden soll.”
Deutsches IVF-Register e.V. (D·I·R)®
Düsseldorf, 21.01.2021